Die Schule – It’s good to be different!

Die beste öffentliche Schule, die man sich vorstellen kann

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Kapitel 6

(It’s good to be different = Es ist gut, anders zu sein!)

Dieses Kapitel passt eigentlich gar nicht in dieses Buch. Warum erzähle ich am Ende des Kapitels…

Noch in Deutschland hatten wir unseren drei Kindern, durch beharrliches Umgehen der normalen bürokratischen Wege, doch tatsächlich einen Platz in der besten öffentlichen Schule in unserem Wohngebiet besorgen können.
Gut, ich hatte so viele Emails in perfektem Denglisch (herausragende Mischung aus Deutsch und Englisch!) geschrieben, dass der Organisator in der Schulbehörde und eine Mitarbeiterin der Schule anscheinend doch mal wieder etwas anderes tun wollten, als zu versuchen meine Emails zu verstehen. So bekamen wir eines Tages eine mehr oder weniger wasserdichte Zusage per Email für Schulplätze in dieser sehr guten öffentlichen Schule für Anjella, Quentin und Rafael.

Dass wir am Anfang in New York dann erstmal die bürokratische Formularausfüllorgie zu überwinden hatten, habe ich ja weiter vorne schon erzählt. Nein, das Ausfüllen der Formulare war trotzdem nicht toll, auch wenn vielleicht irgendein Leser oder eine Leserin, das Wort „Orgie“ für etwas Positives halten sollte…

Erwähnenswert ist auch, dass wir drei völlig unterschiedliche Kinder haben, deren Unterschiedlichkeit ich hier schon deshalb nicht genau ausführen möchte, weil sie dieses Buch möglicherweise irgendwann mal lesen werden.

Kurz und freundlich ausgedrückt: Wir haben eine cleveren Sportler, eine pubertierende Schönheit und einen verträumten Schmuser als Kinder.

Also sehr, sehr, sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, gleich schon am ersten Tag ihrer Ankunft auf diesem Planeten. Zwei bis drei davon haben allerdings doch eine Gemeinsamkeit. Sie diskutieren furchtbar gerne und lange, über alles Mögliche, Sinnvolle und weniger Sinnvolle bis zum überhaupt nicht Sinnvollen. Das haben sie aber jetzt bestimmt nicht von ihren Eltern. Also jetzt wirklich garantiert überhaupt gar nicht?! 😉

In jedem Fall hatten wir, die Eltern dieser überaus bezaubernden Kinder, dann doch etwas Bedenken, was den ersten Schultag anging. An die eigene Kindheit zurück denkend, hatte ich in jedem Fall ein paar unschöne Szenen im Kopf. Zum Beispiel, wie ich auf einer neuen Schule zum Klassensprecher gewählt wurde, dann aber auf dem Nachhauseweg verprügelt werden sollte, weil ich meinen Job als Vertreter eines Lehrers etwas zu ernst genommen hatte… Mit etwas diplomatischem Geschick bin ich dann zwar aus der Nummer wieder heil heraus gekommen, aber ich weiss noch heute, wie mir mehrere Jungs in einem Hauseingang auflauerten und was für einen Adrenalinstoß das in mir ausgelöst hatte.

Unsere erst 5 Jahre alten Jungs sprachen zu diesem Zeitpunkt ja auch noch kein Englisch, außer den sehr bedeutenden Worten: milk, apple und good morning. Eine wirkliche tiefgehende Unterhaltung ist damit in jedem Fall, auch für männliche Wesen, die ja viel weniger Worte brauchen, einigermaßen schwierig. Eine Horde prügelbereiter Kinder abzuwehren, stellte ich mir mit „milk, apple und good morning“ auch relativ schwierig vor!

Quentin und Rafael
Quentin und Rafael – ganz normale Geschwisterliebe

Lediglich unsere liebliche, aber pubertierende Tochter Anjella war, durch einen Englischkurs in ihrer Freizeit und ein Jahr Englisch auf dem deutschen Gymnasium, schon etwas besser vorbereitet.

In Betrachtung der Gesamtsituation waren wir uns tatsächlich alles andere als sicher, ob das alles gut gehen konnte. In keinem Fall wollten wir heulende und unglückliche Kinder, die dann vielleicht schon am ersten Schultag die umgehende Heimreise nach Deutschland antreten wollten.

Unsere Zwillings-Jungs waren außerdem in unterschiedliche Klassen eingeteilt worden. Die Schulleitung hatte mich noch vor der Einschulung gebeten, eine persönliche Einschätzung unserer Kinder zu schreiben, was mir einigermaßen schwerfiel. Man will ja seine Kinder einerseits gut darstellen, aber möchte sie andererseits natürlich auch nicht zu Superhelden machen, die sie dann nur nach dem Genuss von drei Litern Cola auf nüchternen Magen und in ihrer eigen Vorstellung sind. Nein, normalerweise bekommen sie keine drei Liter Cola und manchmal muss ich Ihnen auch noch klar machen, dass mir Supermann zwar unheimlich ähnlich sieht, ich aber trotzdem nicht vom Empire State Building hüpfen will, nur um allen zu zeigen, dass ich (gar nicht) fliegen kann… 😉

Da war er jetzt also, der erste Schultag in einem fremden Land, einer fremden Stadt mit einer ziemlich unbekannten Sprache, vielen Kindern aus den unterschiedlichsten Ländern und den verschiedensten Hautfarben. Wir waren in jedem Fall mindestens so nervös wie unsere Kinder, möglicherweise sogar noch nervöser. Nein, meine Frau hat mir keinen echten amerikanischen Lutscher (Lollipop) zur Beruhigung angeboten. Ich musste also ohne weitere technische Hilfsmittel da durch…

Hinzu kam auch noch, dass der erste Schultag gleich von 8:30 bis mittags um 16:00 gehen sollte.

In Deutschland hatten die Jungs regelmäßig nach dem Kindergarten schlechte Laune und unsere Tochter kämpfte Mittags nach der Schule immer wieder mal mit hysterisches Niveau erreichenden Anfällen und Dauerbauchschmerzen, weshalb wir x-mal mit ihr beim Arzt waren.

Wir standen also an diesem Morgen recht früh auf und brachten unsere Kinder gemeinsam zur Schule. Dabei genossen wir noch einmal den wirklich schönen Weg dorthin, den wir vorher schon einige Male, auch um „typisch deutsch“ die genaue Zeit zu stoppen und zu optimieren, abgegangen waren. Vor der Schule war natürlich ein großes Gedrängel. Jede Menge wuseliger Kinder mit ihren nicht minder wuseligen Eltern. Tatsächlich lief aber alles insgesamt sehr freundlich und gesittet ab.

Unser Schulweg
Unser Schulweg

Als die Schule dann zu Ende war, holten wir unsere Kinder, wiederum gemeinsam, von der Schule ab und rechneten eigentlich mit dem Schlimmsten, aber… das Schlimmste trat nicht ein!

Vollkommen im Gegensatz zu unseren Erwartungen, kamen uns alle drei mit bester Laune, fröhlich und immer noch energiegeladen aus dem modernen Schulgebäude entgegen.

Was war nur passiert? Wir waren irritiert, aber genauso glücklich. Jede Nachfrage warum sie denn so gute Laune nach so einem langen Schultag hatten, wurden nicht etwa mit der Einnahme von Stimmungsaufhellern beantwortet, was in Deutschland ja oft als ein normaler amerikanischer Vorgang gilt. „Die schlucken doch alle Pillen, den ganzen Tag.“ hört man zumindest, wo wir her kommen, immer wieder.

Nein, die Antwort von unseren Kindern war „Die sind alle voll nett hier!“ – und das hat sich tatsächlich in den zwei Jahren nie geändert.
Von kleineren, normalen pubertären Schwierigkeiten unserer Tochter mal abgesehen.

Verrückt, wenn man das Ganze im Vergleich zu Deutschland betrachtet.

Unsere Jungs haben mit Spaß und Freude auf dieser Schule (bzw. Vorschule/Kindergarten) in ein paar Monaten Englisch lesen und schreiben gelernt – und das ohne jede Mithilfe der Eltern. Schon nach ein paar Wochen musste ich mir regelmäßig anhören, wie man ein „th“ (tie eitsch) richtig ausspricht. „Nein, Papa, es heisst nicht „Ai sink“.“ (I think)… 😉

Das Spaßprinzip steht hier beim Lernen einfach im Mittelpunkt. Dadurch kommt eine Freiwilligkeit und Freude am Lernen zustande, die man in Deutschland für pädagogisch fast vollkommen unmöglich hält… 😉

In jedem Fall waren alle unsere Kinder nach kurzer Zeit so gut, dass sie keine gesonderte Sprachförderung mehr benötigten und sehr gute Zeugnisse bekamen.

Wirklich verrückt dabei ist auch die Tatsache, dass eines unserer Kinder in Deutschland nach Einschätzung, auch unseres Kinderarztes, möglicherweise nicht einmal die Hauptschule hätte besuchen können.
Das hört sich jetzt vielleicht schwarzseherisch und insofern „typisch deutsch“ an, aber es ging sogar mir persönlich so, dass ich bei einem unsere Söhne schon seit einiger Zeit befürchtet hatte, dass eine normale schulische Laufbahn in Deutschland ziemlich schwer werden dürfte.

Nicht etwa, weil er zu dumm dafür wäre, sondern weil er einfach etwas langsamer ist und manchmal etwas mehr Hilfe benötigt, um die Startschwierigkeiten beim Lernen zu überwinden.

Hier in den USA war und ist das vollkommen anders, auch deshalb weil in einer normalen Klasse teilweise bis zu drei Lehrer gleichzeitig unterrichten und den Kindern tatkräftig und freundlich helfen. Insgesamt behaupte ich, dass sich Deutschland eine große Scheibe von der pädagogischen Herangehensweise in einer guten amerikanischen öffentlichen Schule abschneiden könnte und sollte.

Die Lehrer und das Personal haben hier alle fast immer gute Laune. Keine Ahnung warum?! Wahrscheinlich liegt das an den Stimmungsaufhellern, die sie den Kindern weg essen… – das war jetzt natürlich nur ein Scherz!

Außerdem sind Freundlichkeit, Respekt und Andersartigkeit wesentlicher Bestandteil jeder schulischen „Erziehung“. Die Anführungszeichen habe ich verwendet, weil man in den USA nie das Gefühl hat, dass die Kinder streng nur zum Stillsitzen und Gehorsam erzogen werden, sondern Ihnen einfach der Spaß am Lernen und am Leben vermittelt wird.

Auch wenn es unglaublich klingt und mein ganz leicht fortgeschrittenes Alter verrät, ich habe in der Schule noch mit dem Rohrstock Schläge auf die Finger bekommen und wurde außerdem mit anderen ziemlich drastischen Maßnahmen, wie einem Teppichklopfer, „erzogen“. Ja, ich weiß, es gibt Menschen, die sagen, das hätte damals auch keinem geschadet. Ich bin mir da aber, sogar bei mir selbst, nicht so wirklich sicher… 😉

Jedenfalls saßen wir eines Morgens vor der Schule an unserem Frühstückstisch und ich sagte zu Rafael, weil ich etwas verärgert war, so etwas wie „Das ist doch nicht normal!“, worauf Quentin ihn mit dem Satz „It’s good to be different!“ in Schutz nahm, was er natürlich in der Schule gelernt hatte.

Um ganz ehrlich zu sein, ich hatte Tränen der Freude in den Augen!

PS: Ja – und warum passt jetzt dieses Kapitel gar nicht in dieses Buch? Ganz einfach, es ist irgendwie so unglaublich positiv und es ist insgesamt gar nichts Schreckliches passiert! 😉 Aber auch das soll ja manchmal im realen Leben vorkommen… 😉

PSPS: Natürlich gibt es auch in Deutschland gute Lehrer und gute Schulen. Nur leider ist die Wahrscheinlichkeit einen guten Lehrer zu bekommen, aus unserer Erfahrung, gerade mal bei gefühlten 25% und das reicht einfach nicht.

Eine Nachricht für Rafael
Eine Nachricht von Rafael’s Lehrerin
Mutter und Tochter
Anjella und Mama
Quentin und sein Lehrer
Quentin und Lucas Rotman, ein ganz toller und engagierter Lehrer
Quentin's Zeugnis
Quentin’s Zeugnis – unbedingt lesenswert!
Rafael K3 Nachricht
Eine Nachricht von Rafael’s Lehrerin

Ende von Kapitel 6


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6 Kommentar

  1. Klasse geschrieben! Macht Spaß auf mehr lesen. Die Schule allerdings wundert mich. Die in ArmErika?

    ich weiß also schon warum ich nach Südamerika gegangen bin!

    Gespannt warte ich auf die nächsten Kapitel 🙂

    Liebe Grüße aus Uruguay

    Peter

    • Hi Peter, ja, die Schulen in Manhattan sind eine der positiven Seiten von New York. Da wollen aber auch viele rein und der Wettbewerb wird immer härter… Viel Spaß weiterhin in Uruguay! Wolfgang

  2. Auf solch eine schule wäre ich auch lieber gegangen. Da wäre bei mir vermutlich alles anders gekommen wie es geworden ist 😉

  3. Jahahaha…die Schulen hier….meine Kinder wollen wegen der Schule NIIIIIIEEEEEEE wieder nach Deutschland zurück!!
    Und auch ich bekomme immer zu hören das ich alle falsch ausspreche…vor allem die Wörter Thousand und Months

    • Sag mal „I think!“ zu Deinen Kindern… das ist – mit der berühmten deutschen Aussprache – auch immer wieder ein Spass… 😉

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