Gaebler != Gabler = Mietschwindler

Battery Park City

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Kapitel 3

(Erläuterung zum Titel: Das bedeutet „Gaebler ist nicht gleich Gabler ist gleich Mietschwindler“)

Mein ganzes Leben lang war ich in vielen Dingen typisch deutsch, d.h. immer pünktlich, immer korrekt, immer genau, oft kritisch und leider auch immer wieder bis zur Schmerzgrenze ehrlich. Durch verschiedene Auslandsaufenthalte, gerade auch in Spanien, hatte ich jedoch begonnen, alles etwas lockerer zu sehen. In Spanien lernt man (oder verzweifelt daran), dass man gelassener sein muss, weil man sich sonst ausnahmslos jeden Tag über die nicht vorhandene Pünktlichkeit und Genauigkeit aufregen würde.

Gut, insofern fand ich es gar nicht so schlimm, dass die amerikanische Botschaft unseren Namen geändert hatte und wir jetzt plötzlich Gabler hießen. „Typisch spanisch“ dachte ich mir, ein „e“ mehr oder weniger macht jetzt nun wirklich keinen wesentlichen Unterschied.

Eines Abends sollte sich meine Meinung hierzu ganz schlagartig wieder ändern.

Unsere Maklerin, Sarah, mit der wir auf der Suche nach einer neuen Wohnung waren, rief insofern am späten Abend eines ansonsten eher gemütlichen Tages an und erklärte mir, hörbar aufgeregt, dass sie gerade einen sehr bösen Anruf bekommen hätte, in dem behauptet worden wäre, dass wir höchstwahrscheinlich Betrüger oder Mietschwindler seien.

Der böse Anruf kam von der Mitarbeiterin einer in New York üblichen Verwaltungsgesellschaft eines Wohnhauses, in das wir gerne einziehen wollten.

Wir hatten dafür in den vorherigen Tagen den tatsächlich 47 (!!!) seitigen Mietvertrag mit allen Anforderungen durchgeackert, geflucht, gestöhnt und uns noch mehr gewundert, was die Amerikaner so alles preisgeben müssen, wenn es um den Einzug in ein Wohnhaus in Manhattan geht.

Im Prinzip kann man sich das als Deutscher ungefähr so vorstellen: Ein netter Herr von der Wohnhausgesellschaft befiehlt einem in freundlichem aber doch bestimmten Ton, dass man sich vollkommen nackt auf eine belebte Straßenkreuzung stellen solle und jeder darf einen dann alles fragen und alles ansehen, was man sonst vielleicht gerne niemandem beantworten oder zeigen würde.
Das hört sich jetzt möglicherweise ein wenig dramatisch an, aber es ist tatsächlich irgendwie genau so.

Wir wurden also von der Verwaltungsgesellschaft unserer potentiell zukünftigen Wohnung dazu aufgefordert mehr oder weniger unser gesamtes Leben schriftlich darzulegen, inklusive aller Einkünfte, aller Besitztümer, aller Bankkonten, aller wesentlichen Ereignisse und so weiter. Warum meine Mutter und mein Vater mich überhaupt gezeugt haben, wurde ich zwar nicht gefragt, aber es fühlte sich genau so an.

Wir haben natürlich mehrere Tage gebraucht um alles an Nachweisen zu liefern, was man für den Einzug in dieses ehrenwerte Haus benötigte. Wir hatten dafür massenhaft Fragebögen in mehrfacher Ausfertigung ausgefüllt, weil mal wieder unbedingt Originale an verschieden Stellen weitergeben werden mussten und hatten uns x-mal überlegt, wie man bestimmte Nachfragen nach Gehalt und Vorleben umgehen konnte, ohne dabei die „Unwahrheit“ zu sagen.

Nachdem wir dann die rund 100 Seiten unseres gesamten Lebens endlich abgegeben hatten, fühlten wir uns aber trotzdem ein wenig erleichtert und sagten uns, dass wenn sie uns jetzt nicht erlauben sollten dort einzuziehen, es eben einfach nicht so sein sollte.

Dort haben wir gelebt
Genau hier wollten wir einziehen!

Zurück zum aufgeregten Anruf der Maklerin. Die Verwaltungsgesellschaft hatte also anscheinend versucht, die Angaben, die wir auf den Aus-Fragebögen gemacht hatten, zu verifizieren.

Sie hatten zwar nicht in Deutschland angerufen, obwohl ich auch zwei Referenzschreiben aus meinem vergangenen Leben in Deutschland abliefern musste und diese Referenzschreiben natürlich aus Deutschland kamen, aber sie hatten bei der Verwaltungsgesellschaft unserer Temporär-Wohnung angerufen und nach „Wolfgang Gabler“ gefragt. Da in New York aber die meisten Wohnungsverwalter tausende verschiedene Mieter verwalten und viele Mitarbeiter beschäftigen, die auch nur normale Menschen sind, hatte wohl jemand nach „Gabler“ gesucht und tatsächlich niemand gefunden!

Als wir die Wohnung angemietet haben, hießen wir ja lustigerweise noch „Gaebler“, also mit dem verflixten „e“, da uns zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht klar war, dass uns die Botschaft in „Gabler“ umtaufen würde.

Dass das die Ursache des Problems sein könnte, erkannte ich aber erst nach einer unruhigen und ziemlich schlaflosen Nacht. Sarah war am Telefon den Tränen nahe gewesen, weil sie von der Maklerin des Verkäufers, die an der Vermittlung ebenfalls beteiligt war, am Telefon beschimpft wurde, dass sie ja offensichtlich ihre Klienten nicht korrekt überprüfen würde. Sarah war zwar schon zwei Jahre in New York als Maklerin tätig, aber noch keine dreißig Jahre alt und insofern eher etwas zarter besaitet.
Bei unserem Telefongespräch war auch der Grund der gesamten Aufregung erstmal vollkommen unklar. Klar war nur, dass uns die „Gegenseite“ für Betrüger hielt.

Immerhin, als mir am nächsten Tag der Grund dafür wie Schuppen von den Augen fiel und ich das Ganze telefonisch klären konnte, ging es zügig mit dem gesamten, von uns so geliebten, Papierkram weiter.

Natürlich hatten wir wieder bzw. noch mit dem fehlenden Credit Score zu kämpfen und bezahlten also in der wirklich angenehm preisgünstigen Stadt New York (das war ein kleiner Scherz!) die Miete für ein Jahr im Voraus – plus 2 mal Maklerprovision.
Ach ja, und das Ganze bevor wir überhaupt die Zustimmung der Verwaltungsgesellschaft für den Einzug hatten. Sogar mit einem von der Bank bestätigten Barscheck, der aber angeblich nicht vom Vermieter eingelöst werden würde, wenn wir keine Zusage bekämen.

Als ich bei dem Gespräch den Scheck, mit einer Summe, für die man sich leicht in Deutschland ein Auto der Luxusklasse kaufen konnte, übergab, dachte ich nur noch, Augen ganz fest zu und durch. Irgendwo müssen wir ja wohnen…

Tatsächlich bekamen wir ein paar Tage später die Zusage einziehen zu dürfen.

In diesem Gebäude in Battery Park City neben Hudson und Irish Hunger Memorial, in dem angeblich auch Leonardo „Ich bin der König der Welt“ DiCaprio wohnt (ja, genau der Leonardo!), wollte ich schon bei unserem ersten Besuch in New York im Jahr 2005 am liebsten sofort eine Wohnung mieten. Nein, nicht wegen Leo, sondern weil die Wohnungen sehr schön und die Wohngegend tatsächlich sehr ruhig war. Aber auch das sollte sich ändern…

Außerdem stellten wir später dann sogar fest, dass Leo nicht der einzige wirklich prominente Mitbewohner in diesem interessanten Gebäude ist.

PS: Zu der Jahresmietvorauszahlung kamen dann später noch diverse Einzugsgebühren, plus Aufzugsgebühren (Gebühren für die Benutzung des Aufzugs beim Einzug), plus der Prämie für eine Versicherung in Höhe von 2 Millionen Dollar (kein Schreibfehler) für eventuelle Schäden am Gebäude beim Einzug, und noch einiges mehr. Den Irrsinn eine Versicherung über 2 Millionen Dollar für den Einzug zu benötigen, werde ich jetzt hier erstmal nicht weiter kommentieren. Irrsinn gibt es in diesem Buch noch jede Menge…

PSPS: Auf unserem Personalausweis steht natürlich immer noch „Gaebler“ und es fühlt sich immer wieder sehr seltsam an, wenn man den Personalausweis vorzeigen und dann erklären muss, dass man in Deutschland eben einen anderen Namen hat, eben „Gaebler“ und nicht „Gabler“ heißt, wie es auf der Kreditkarte steht… aber man gewöhnt sich an vieles!

Ende von Kapitel 3


Wer braucht schon einen Credit Score - Kapitel 2- Kapitelübersicht -Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare! - Kapitel 4


Fragen jeder Art bitte als Kommentar stellen!

6 Kommentar

  1. Hi Wolfgang,
    ja den Titel Deines Buches auf big-apple.tv zu lesen war in der Tat erst etwas irritierend 🙂

    Habe dann mal los gelesen und hätte am liebsten gleich noch mehr gehabt.
    Ist echt gut geschrieben, sehr interessant und dazu noch tolle Aufnahmen.
    Bin sehr gespannt was Du weiter schreibst.

    Danke für teilhaben lassen 😉

    Grüße aus Norddeutschland
    Marco

    • Hallo Marco,

      Danke Dir! Ich hatte Lust, das alles mal aufzuschreiben, weil viele Menschen vom Leben in New York träumen, ohne die Schattenseite davon zu kennen.
      Wenn man aber nur die positive und spannende Hochglanzfassade von New York wahrnimmt, übersieht man leicht, dass das reale tägliche Leben dort ein ziemlich harter (Überlebens-)Kampf ist…

      In den nächsten Tagen kommt in jedem Fall mehr davon…

      Viele Grüße aus Amerika

      Wolfgang

  2. ich lese mich Stück für Stück durch und bin wirklich begeistert…..auch über die Art, wie du schreibst und die Bilder wischendrinnen echt „awesome“, wie der Amerikaner heutzutage sagt…hatte ja vorher schon geschrieben, dass ich euer Schicksal teile, obwohl ich mit einem am. (ehemaligen) Soldaten verheiratet bin und das seit 37 Jahren….wir sind hier im Juni in Virginia durch eine Versetzung nach fast 30 Jahren Deutschland angekommen und es unterscheidet sich eigentlich durch nichts, was ihr da erlebt habt…..wir sind natürlich leichter ins Land reingekommen, aber ab da das allergleichste Drama…..ohne Führerschein kein Autokauf, ohne Adresse kein Führerschein, ohne Führerschein keine Wohnung….abgesehen von dem wahnwitzigen credit score…..selbst amerikanische Staatsbürger durchlaufen das gleiche Prozedere….ständig muss man durch mehrere Bildausweise nachweisen, dass man der ist, den man vorgibt zu sein und manchmal hab ich den Eindruck, dass wir eine Gebühr für die Gebühr zahlen müssen….mit dem Namen hatte auch ich größere Probleme…..jahrelang lief ich unter dem Kurznamen, unterschrieb auch überall damit….auch auf meiner Sozialversicherungskarte…..nach über dreißig Jahren ist nun einem schlauen Beamten aufgefallen, dass in meiner Geburtsurkunde ein anderer Name steht und schon fing das nächste Drama an…..mehrere Dokumente mussten geändert werden und jetzt unterschreibe ich jedes Dokument mit meinem unverkürzten Namen so wie er auf der Geburtsurkunde steht um weitere Probleme, die ja auch mit Kosten verbunden sein können, zu vermeiden

    man muss hier wirklich viel Humor an den Tag legen, aber dann kann man es schon ertragen….und es zeigt wie toll unser Deutschland doch ist…..ein Land mit vielen unzufriedenen Meckerern, aber doch so wunderschön

    ich freue mich schon auf die nächsten Beiträge…und ehrlich….zwischendrinnen muss ich so herzhaft lachen…..wir haben viel gemeinsam und das tut gut

    • Freut mich sehr, dass Du Spaß hattest unsere Erlebnisse zu lesen! Und ich musste gerade bei „eine Gebühr für die Gebühr zahlen“ lachen – auch die Erfahrung teilen wir. Gerade in NY hast Du täglich das Gefühl, dass es nur und ausschließlich ums Geld geht. Es geht nicht darum ein schönes Leben zu haben, sondern darum das verdiente Geld, möglichst schnell wieder zu verteilen bzw. auszugeben… 😉

  3. Lieber Wolfgang,

    so amüsant das Ganze (aus der sicheren Distanz ;-)) zu lesen ist, so stellt sich mir aber doch folgende Frage: Mag es sein, dass es nicht die „gewöhnlichen“ Schwierigkeiten einer Wohnungssuche sind, sondern es sich zusätzlich um die Aufnahme in einen gesellschaftlichen Kreis handelt? Das Wohngebäude mit dem erlauchten Publikum lässt jedenfalls diese Frage bei mir aufkommen.
    Denn dann sind diese Hürden keineswegs die Hürden eines Auswanderers, sondern die Hürde in eine (elitäre) Gruppe aufgenommen zu werden. Dieses Prinzip existiert so – zumindest historisch betrachtet- in Deutschland kaum (gar nicht, möchte ich nicht sagen, aber es ist wesentlich weniger stark ausgesprägt).
    Amerikas Gesellschaft war und ist -unabhängig von geäußerten oder schriftlich verankerten Parolen der Toleranz und Gleichheit- sehr stark in soziale Gruppen segmentiert, die ihre Exklusivität verteidigen. Partizipation ist da mitnichten erwünscht. Da man das nicht so äußern kann, müssen andere Formen der Barrikaden her: Zermürbung, Schikane, Leumund usw.
    Kurz: Man möchte unter sich und seinesgleichen bleiben. Menschen sind eben Stammestierchen 😉

  4. It’s much easier to buy (if you have the cash and don’t live in NYC) than to rent in the US. My husband (Austrian, I’m a US citizen) had bought three houses and a condo in Las Vegas, and still was unable to get a credit card because of his lack of a credit score. He was finally able to get one through our bank, where he had had an account for several years. The interest rate is high, but we always pay it off, so it’s not a big deal. While we wait for his credit score to be acceptable, I’m the primary person on our phone and utilities. By the way, it was common to change names when my great-grand father came over from Germany in the 1800s (Müller to Miller), but I had no clue it was still being done.

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