Jeden Monat ein neues Fahrrad

Subway nach Queens

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Kapitel 5

Egal wo der Leser dieses Buches gerade wohnt, die Frage ist: „Was kostet dort eine normale Einzimmerwohnung?“. Die nächste Frage: „Wie viele Einwohner hat der aktuelle Wohnort?“
Aus diesen beiden Eckdaten lässt sich dann ganz einfach die Miete in New York berechnen.

Na ja, das funktioniert sicher nicht mit jeder Stadt. Deshalb nehmen wir einfach mal Karlsruhe, wo wir her kommen, als Beispiel.

Karlsruhe hat ca. 300.000 Einwohner und eine normale 100 qm Wohnung kostet dort ca. 1.000 Euro Miete pro Monat.t

Auf der Insel Manhattan, dem Kern von New York City, leben ca. 1,6 Millionen Menschen, also ungefähr 5 mal so viele. (In ganz New York City leben aber insgesamt rund 8 Millionen Menschen.)

Das bedeutet tatsächlich für eine „vergleichbare“ Wohnung in Manhattan bezahlt man ungefähr 5 mal so viel wie in Karlsruhe, d.h. 5.000 Euro, was aktuell über 6.700 Dollar Miete pro Monat (Stand 08/2014) entspricht…

Natürlich ist das keine exakte Formel, aber gibt einem ein Gefühl dafür, wie „günstig“ New York ist für Menschen, die dort eine Wohnung mieten müssen oder wollen. (Tatsächlich sind die Mieten seit ich das geschrieben habe, weiter gestiegen und der Eurokurs ist erheblich gefallen, was die Wohnungen noch teurer macht.).

Als wir in New York wohnten wurde beispielsweise, die erste Wohnung für 150.000.000,00 (Einhundertfünfzig Millionen) Dollar verkauft. Als wir New York nach 2 Jahren verließen, gab es dann die Schlagzeile, dass in einem dieser Gebäude ein Autostellplatz für 2 Millionen Dollar an den Mann oder die Frau ging.

Ein normaler durchschnittlicher Arbeitnehmer in Deutschland würde also ca. 30 Jahre dafür arbeiten, wenn er keine Steuern bezahlen müsste und auch sonst kein Geld ausgeben würde, um sich einen Autostellplatz in New York leisten zu können.

Ist das nicht absolut f-a-n-t-a-s-t-i-s-c-h? (Bitte fantastisch genau so laaaaanggezogen aussprechen wie es die Amerikaner tun würden!)

So ein Autostellplatz in New York, das ist schon viel besser als so ein hundsgewöhnlicher Parkplatz in Karlsruhe, Freiburg oder etwa Buxtehude. In der Stadt, in der Auto fahren zum Time Square ungefähr dreimal so lange dauert wie die die Subway zu nehmen, ist ein Parkplatz schon der ultimative amerikanische Traum eines jeden Menschen… – oder vielleicht doch nicht?

Man bekommt dafür immerhin einen echten New Yorker Stellplatz auf dem man sein Auto Twenty-Four-Seven (24/7) abstellen kann.
24/7 ist der in den USA überall verwendete Ausdruck für 24 Stunden pro Tag, 7 Tage pro Woche, d.h. kurz gesagt – immer!

Natürlich besteht auch die Möglichkeit eine Garage „nur“ zu mieten, was in unserem Gebäude dann auch nur lächerliche 2.000,– Dollar pro Monat kosten sollte. Wir haben, auch aus diesem Grund, erstmal auf den Kauf eines Autos verzichtet und sind hauptsächlich mit der Subway gefahren, was in New York tatsächlich relativ günstig und praktisch ist.

Blick auf das 1WTC
Direkt vor unserer (nachts Fahrrad-freien) Haustür

Und dann war da noch die andere Geschichte mit den zweirädrigen Fortbewegungsmitteln, die man auch Fahrräder nennt.

Kurz nach unserer Ankunft hatten wir bei unserer Rezeption nach Fahrradstellplätzen gefragt. Da der noch amtierende Bürgermeister Bloomberg schon seit einiger Zeit das Ziel ausgegeben hatte in New York bzw. Manhattan viele Fahrradwege einzurichten und Fahrradfahren insgesamt zu fördern, waren wir mal wieder bester Dinge, dass es in einem renommierten Gebäude, wie dem unsrigen, dafür sicher eine gute Lösung geben müsste.

Etwas enttäuscht aber noch nicht entmutigt waren wir, als wir erfuhren, dass keinerlei Stellplätze für Fahrräder mehr frei waren und eine lange Warteliste bestand. Aber, wurde uns mitgeteilt, es gäbe ein Parkhaus im Gebäude, das auch Stellplätze für Drahtesel anbieten würde. Wir gingen also direkt dorthin und fragten nach.

Der nette Parkwächter in der Garage meinte, dass wir tatsächlich „nur“ 75 Dollar dafür bezahlen würden.
Ja, nur dummerweise pro Fahrrad, auch pro Kinderfahrrad und vor allem nicht pro Jahr, sondern pro Monat!

Also insgesamt die hübsche Summe von lediglich 375 Dollar für unsere fünf Fahrräder pro Monat!

Nein, er hat auch wirklich nicht widersprochen als ich ihn darauf hinwies, dass ich mir dafür jeden Monat mindestens ein neues Fahrrad kaufen oder das ganze Jahr Subway fahren könnte.

Im Vergleich zu den Kosten für einen Autostellplatz war das jetzt ja wirklich Wucher. Immerhin konnte man sich für die Miete für den Autostellplatz nur so ungefähr alle 12-18 Monate ein neues Auto kaufen. Im Vergleich zur Fahrradstellplatz-Miete geradezu ein echtes New Yorker Schnäppchen… 😉

Und noch eine Kleinigkeit möchte ich erwähnen. Wir waren natürlich nicht die einzige Familie mit diesem unsäglichen Fahrradproblem – und damit die ganz schön vielen New Yorker nicht auf dumme Ideen kommen und die Gegend verschandeln, durfte man in ganz Battery Park City keine Fahrräder über Nacht im Freien abstellen. Nette Schilder weisen überall darauf hin, dass Fahrräder, die über Nacht abgestellt werden, von der Stadt entsorgt werden.

In anderen Neighbourhoods, wie z.B. Tribeca, das sich direkt um die Ecke befindet, hat man das Fahrradstellplatz-Problem dann auch, irgendwie diesem Beispiel folgend, noch praktischer gelöst – zumindest für die offiziellen Mitarbeiter der Stadt New York.

Stellt man nämlich dort sein Fahrrad über Nacht irgendwo draußen ab, kommen einfach ganz schnell die netten Jungs von der privaten Fahrradbeseitigungs-Gang (Gäng) und entsorgen das Fahrrad im Nullkommanichts, wie ich es dann eines Tages am eigenen Leib bzw. Fahrrad erleben durfte.

Bis dahin hatte ich noch nicht richtig verstanden, warum die Fahrradschlosshersteller zwar eine kostenlose Diebstahlversicherung in allen amerikanischen Bundesstaaten anbieten, aber ausdrücklich New York und Manhattan ausschließen.

Bevor mir mein geliebtes Fahrrad gestohlen wurde, hatte ich doch tatsächlich die Idee eine lustige Dokumentation über die Tatsache zu drehen, dass viele New Yorker sogar ihren Fahrradsattel mit ins Kino nehmen und immer mehrere Kilogramm schwere Fahrradketten mit sich herum schleppen. Was ich doch damals noch für ein Anzeichen übertriebener Vorsichtigkeit und für eine Variante des türkischen Goldkettchentragens, im Fall der schweren, beim Fahren um den Hals hängenden Ketten, hielt.

Die Filmidee platzte insofern wie eine Seifenblase oder besser wie ein Fahrradschlauch, als ich eines Nachts aus der Subway kam und zuerst mit meinem Alter haderte, weil ich anscheinend nicht mehr wusste, wo ich mein Fahrrad abgestellt hatte. „Glücklicherweise“ lag es nicht an meinem Alter.

Mein Fahrrad war einfach von gemeinen, hinterhältigen, gewissenlosen, niederträchtigen und herzlosen Fahrraddieben geklaut worden.

Verrückt in meinen Augen ist dabei auch, dass es sich beim Tatort um eine relativ lebhafte Stelle in Tribeca handelt, die auch nachts nie ganz menschenleer ist. Man sieht allerdings täglich neue Überreste der netten Fahrradwiederverkäufertruppe. Die besagten Schlösser und Ketten werden nämlich in der Regel, weil ja unpraktischerweise durchgesägt und ziemlich schwer, einfach zurück gelassen.

Eigentlich habe ich während unser Zeit in NYC immer davon geträumt mal ein paar von den Jungs bei der „Arbeit“ hochgehen zu lassen.
Allerdings war Kris von der Idee, dass ich eine Nacht auf der Strasse, als deutscher Unterderdecke-Ermittler (Undercover-Agent), verbringen wollte, nicht so richtig angetan. Sie glaubte mir irgendwie auch nicht, dass ich mit meinem vor ungefähr 33 Jahren gewonnenen Titel im Judo, in New York irgendwen beeindrucken könnte. Immerhin war ich damals Kreismeister Nordschwarzwald geworden. Wie wenn das nichts wäre… 😉

Ich heule heute noch meinem schönen Fahrrad hinterher.

Nachfolgend ein Bild für den Fall, dass es jemand irgendwo zufällig sehen sollte. Ich würde sogar Finderlohn bezahlen. Sagen wir 3 Monatsmieten „Fahrrad abstellen“ im Riverhouse in Battery Park City! 😉

Mein geliebtes Fahrrad
Mein geliebtes (geklautes) Fahrrad von Heavy Tools

Ende von Kapitel 5


Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare! - Kapitel 4- Kapitelübersicht -Die Schule – It’s good to be different! - Kapitel 6


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12 Kommentar

  1. Richtig interessant geschrieben, fast spannend… Ich freue mich auf das naechste Kapitel!

  2. Wunderbar geschrieben, wir wohnen seit ca 1. Jahr in der naehe von New Orleans und der credit score ist schon eine Herausforderung am Anfang. Wir hatten keine deutsche AMEX. ..
    Hier gibt es keine oeffentlichen Verkehrsmittel, na ja Bus line in New Orleans, wir wohnen aber in Mandeville, ohne Auto ist mam hier verloren. Kommen aus Hamburg und ich Empfinde vieles als sehr doerflich hier. ..Es gibt wenig gute Jobs und alle sind extrem religious. Das gute widerum, extrem herzliche Menschen. Bin gespannt auf Deine Fortsetzung !

    • Danke, Erika! In den nächsten Tagen kommt mehr. Wir sind jetzt in der Nähe von Miami. Da geht ohne Auto auch nicht viel, aber ich hab‘ mir jetzt noch ’ne Vespa gekauft – und ich liebe es damit durch die Gegend zu flitzen… 😉

  3. Super geschrieben,ich schmunzelte, welcome to Miami, wohne 25Jahre in Miami ,finde es nicht mehr so toll hier, ist halt nicht mehr das Land DER …. Ich warte nun auf die fortsetzung Eurer journey

    • Danke, Uta! In den nächsten Tagen kommt mehr… einige weitere Kapitel sind schon fertig. Ich bin gerade am Überarbeiten und Bilder raussuchen.

  4. Sehr interessant. Wir hatten auch 10 Jahre lang in Battery Park eine Wohnung. Bringt viele Erinnerungen zurueck, vor allem der Mietvertrag

  5. Wir hatten eine Wohnung in 50 Battery Place – ganz an der Suedspitze. Als euer Building eroeffnet wurde, haben wir uns dort auch umgeshen, denn uns hat der Gedanke von einem „green building“ gut gefallen. Vor 9/11 gab es in der Gegend noch viele kleinere Restaurants, die danach nie mehr aufgemacht haben. Wir haben das Apartment in 2009 aufgegeben.
    .

    • Das ist genau gegenüber der Schule, die unsere Kids besucht haben. Wir waren auch schon ein paar Mal in dem Gebäude, weil unsere Kinder dort einen Freund hatten. Am Anfang haben wir in 99 Battery Place gewohnt, was auch nur ein paar Gebäude weiter nördlich ist… 🙂

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